Die Schönheit der Natur

Liebes Tagebuch,

willst du wissen, was Schönheit ist, so gehe hinaus in die Natur. Das hat der Maler Albrecht Dürer einmal gesagt und das ist der Spruch, der mich die gesamte letzte Etappe begleitet hat. Noch nie in meinem Leben habe ich eine solche Schönheit erleben dürfen. Von Sonnenaufgängen über sternenklare Nächte, von Delfinen über Wale bis hin zu kleinen Schildkröten, Meeresluft und leuchtendem Wasser. Wir, nur ein kleiner Fleck auf dieser Welt, sind mitten in der Natur und auch hier an Land, auf Teneriffa, durften wir diese unendliche Schönheit erleben.

Und das ganz besonders am heutigen Tag.

Dieser begann in aller Frühe – um 06:30 Uhr haben wir zusammen gefrühstückt und unsere Brotzeitboxen bis zum Anschlag gefüllt, der ein oder andere hatte sogar ein regelrechtes Brotzeitboxplatzproblem. Pünktlich um 07:30 Uhr konnten wir in unseren Bus einsteigen – mit wenig Hoffnung. Johannes hatte nämlich zuvor gerufen, es habe 15 Grad und Regen, genau da, wo wir hinwollten.

Mit gepackten Regenjacken konnte die Busfahrt dann starten! Die einen schrieben Tagebuch, die anderen Briefe und wieder andere (die allermeisten) schliefen. Um uns herum veränderten sich nur die Grautöne der Wolken, in denen wir uns von Zeit zu Zeit befanden. Irgendwo auf dem Berg, irgendwo im Grau, mitten im Nieselregen hielten wir dann an – war das unser Endstop? Würden wir hier wandern gehen? Wir standen dicht aneinandergedrängt im Kreis, um uns – in kurzen Hosen frierend – zu wärmen. Als nächstes konnten uns Judith, Alma und Paul einiges über die geografischen und biologischen Gegebenheiten erzählen. Noch kurz bevor wir wieder in den Bus gestiegen sind, habe ich bemerkt, dass die Wolken sich gelichtet hatten und wir haben einen Blick auf das in der Sonne glitzernde Wasser werfen können. Alle stiegen ein und der Bus setzte sich rüttelnd wieder in Bewegung. Ab und zu schaute ich raus und da plötzlich: Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Die gesamte Wolkendecke über uns riss auf und wrooooooom brachen wir aus dem Nebel. Das Sonnenlicht kitzelte das allererste Mal heute meine Nase und ein faszinierender Blick raubte mir den Atem. Über uns der tiefblaue Himmel, direkt unter uns ein Meer aus watteweichen Wolken. Wolken so fluffig wie ein ganzes Zuckerwattensortiment nur sein könnte. Um uns herum erhob sich eine verwachsene, raue, wilde Bergwelt. Nur nach Steuerbord war der Blick auf eine große, felsige Mauer beschränkt. Zwischen all dem Weiß funkelte immer wieder ein ozeanblaues Fleckchen auf. Das Meer sah von hier oben so klein aus!

Nachdem der Bus kurz angehalten hatte, damit wir die Aussicht genießen konnten, fuhren wir über die eng gewundene Straße, die sich durch die Berglandschaft schlängelte, weiter. Auf einmal kam das zum Vorschein, was zuvor von der Felswand verdeckt und ein Geheimnis geblieben war. Und es bot sich mir der beeindruckendste und bezauberndste Anblick, den ich je gesehen hatte. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, klappte mir das Kinn herunter – und ich hatte erstmal nicht vor, meinen Mund wieder zu schließen. Ungläubig starrte ich aus dem Fenster und betrachtete das, was nun vor uns lag. Wir alle fingen an zu jubeln, denn vor uns erhob sich aus einer dicken weißen Wolkendecke der Gipfel des Pico del Teide, des höchsten Bergs Spaniens! Alle waren ganz aufgeregt und ich konnte es nicht fassen. Wir waren da: Auf dem Teide, auf Teneriffa, auf dem Weg in die Welt, auf dem Weg zu uns selbst, auf dem Abenteuer unseres Lebens.

Mit Freudentränen in den Augen schloss ich mich dem Jubel an und schon hielt der Bus und wir konnten es kaum erwarten auszusteigen. Whohoooooo und Whoaaaaaaah hörte man von überall und auch ich stürmte aus dem Bus, in die kühle, morgendliche Bergluft. Ich atmete tief ein und aus, genoss jede Sekunde, jeden Augenblick, jeden Atemzug; denn je freier man atmet, desto mehr lebt man! Um die Kälte abzuschütteln, hatten wir ganz viele Hampelmänner gemacht, uns dabei im Kreis gedreht und sind durch die Gegend gehüpft. Die Sonne wärmte mir den Rücken und mir war auch von innen her, vom Herzen, warm. Und so standen wir da, genossen die sagenhafte Kulisse und Ronja und ich haben Handstände gemacht, Kopfstände auch; ich liebe es, die Welt kopfüber zu betrachten, ich liebe diese Perspektive! Mit unserem Reisebus tuckerten wir dann an „la tarta“ vorbei, einer Felswand in vielen verschiedenen Farben, die schichtenweise angeordnet waren. Bei unserem nächsten Stop trug uns Sonja ihr Referat über Vulkane vor. Wir saßen in dem Moment auf einem, der vielleicht zu unseren Lebzeiten noch ausbrechen könnte – schon irgendwie gruselig! Es war sehr interessant und auf der Weiterfahrt durften wir noch Fragen stellen. Jetzt waren wir endlich an dem Ort angekommen, von dem aus unsere Wanderung starten würde! Ganz nah am Gipfel des Teide, auf 2100m! Überall um uns herum standen beeindruckende Felsformationen jeglicher Form und Art: Ob beige, tonfarben oder schwarz, mit Löchern und Hohlräumen. Wenn ich jetzt meine Augen schließe, sehe ich am allergenauesten den Finger des Gottes vor mir: Eine riesige Steinsäule, die sich über allem anderen in den Himmel emporhob. Fast kreisrund ragte der Finger mahnend in die Höhe. Unsere Wanderung konnte beginnen. Das Applecrumble, Brownies und Mandelkuchen etwas mit Vulkangestein am Hut haben, habe ich auch erst heute erfahren. Wir haben viel von Judith über Bomben, Ginster und sechseckige Säulen gelernt und Eidechsen und Kletterer gesehen. Die Vulkanlandschaft hier machte mich jedes Mal, wenn ich aufblickte, fassungslos. Im Kontrast zu den sandfarbenen Felsen, die sich überall um uns herum erhoben, standen die olivgrünen Teideginster; das Grün setzte sich wunderschön von der übrigen Umgebung ab. Nach einer Stunde schon erreichten wir unser Ziel.  Ich habe jeden Schritt genossen, aber nun ging es zurück zum Bus. Der rollte kurz darauf auf die Bergstraße und langsam aber sicher entfernte sich der höchste Berg Spaniens von uns. Einen letzten Blick auf die imposante Spitze konnte ich noch durch das Fenster erhaschen, bis der Bus in die Wolken, in den Nebel hineinfuhr. Und schon wieder konnte ich es kaum glauben, als die Wolken unter uns aufrissen und der unbeschreibliche Blick mir heute das bestimmt fünfte Mal den Atem raubte. Unter uns leuchteten die bunten Häuser einer Stadt in der Sonne und an der Küste mit den schwarzen Vulkansandstränden, brach das Wasser mit jeder neuen Welle und die weiße Gischt zog eine feine Linie zwischen Land und Ozean. All das hatten wir erlebt und es war gerade mal ein halber Tag vergangen.

Als nächstes sind wir zum Museum bei den Pyramiden von Güímar gefahren, haben das Referat von Quentin über den Namensgeber unseres Schiffes gehört und eine Führung gemacht. Um halb sieben sind wir am Abend sicher, müde und glücklich auf der Thor angekommen und der letzte Abend auf Santa Cruz konnte starten. In Dreiergruppen durften wir losziehen und sind zusammen Pizza essen gegangen. Die haben wir an einem schönen Plätzchen auf der Plaza de España genossen und Esskastanien von einem süßen, kleinen Straßenladen gekauft. Das Highlight meines Abends war es, mit Tessa, Paulina, Ronja, Ferdi und Lia auf dem Platz zu sitzen und Straßenmusik zu machen; ein richtig cooles Erlebnis und mit der Gitarre begleitet schien unser Gesang nicht allzu schief zu sein, denn am Ende konnten wir sogar eine Kugel Eis kaufen – von unserem selbstverdienten Geld. Ein tolles Gefühl! Ich habe telefoniert und mit Ronja Capoeira, einen brasilianischen Tanzkampf, gespielt. Als dann der Landgang um 22 Uhr beendet war, habe ich meinen Blog geschrieben und noch die Hafenwache bis halb 1 übernommen, bis ich todmüde ins Bett gefallen bin.

Was für ein erlebnisreicher Tag, was für eine abenteuerliche Exkursion! Unglaublich! Jetzt mache ich aber wirklich das Licht aus, die Augen fallen mir schon zu.

Gute Nacht und bis morgen, mein liebes Tagebuch, ich bin gespannt, was der nächste Tag so bringen wird.

KUS-Ticker

Sonntag, 20.11.2022

  • 07:30 Uhr Abfahrt Exkursion
  • 10:00 Uhr Referat „Vulkanismus“ von Sonja
  • 11:00 Uhr Wanderung bei „Las Roques de Garcia“
  • 13:00 Uhr Referat „Thor Heyerdahl“ von Quentin
  • 14:15 Uhr Führung im Museum Piramides de Güímar
  • 18:00 Uhr Ankunft am Schiff
  • 22:00 Uhr Ende Landgang