Die Ruhe vor dem… Essen
Datum: 30.10.2020
Mittagsposition: Helgoland
Gong.
Ich entspanne mich und freue mich über diesen Moment der Ruhe. Denn: Zeit für sich und seine Gedanken ist wichtig. Wer schon einmal auf der Thor Heyerdahl mitgefahren ist, weiß das umso besser. Gerade hier bei KUS, wo täglich so viel Neues und Spannendes passiert, braucht man manchmal etwas Zeit, sich und seine Gedanken zu ordnen. Dafür gibt es hier an Bord die stille Minute, ein fester Bestandteil der Schiffsroutine. Vor jeder Mahlzeit wird sie mit einem Glockenschlag eingeleitet. Dann ist es still und man hört nur noch den Wind, das Meer und die Wellen.
Manche schließen währenddessen die Augen, andere fixieren einen Punkt. Wieder andere blicken in der Runde umher und schauen in die Gesichter der Menschen, mit denen sie schon eine Weile reisen und noch ungefähr die nächsten 175 Tage verbringen werden. Gleichzeitig ist die stille Minute auch eine tolle Möglichkeit, über den Tag oder die Tage, die schon hinter uns liegen, nachzudenken und diese Revue passieren lassen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört. Nach einem langen Tag ist es nicht immer leicht, sich an das zu erinnern, was am Morgen passiert ist. Meine Gedanken schweifen zur Feuerübung am Vormittag – ich sehe Peer als gespieltes Rauchopfer auf der Trage an Deck liegen, während Markus, unser Bordarzt, uns über Erste Hilfe aufklärt. Doch wenn ich vor dem Abendessen über den Tag nachdenke, scheint der Morgen schon so lange her zu sein, da über den Tag verteilt so viel passiert ist – so viel mehr als zuhause. Irgendwo in meinem Kopf schweben auch noch Teile der gelernten Nautiktheorie im Kopf herum – Kurse einzeichnen, Seemeilen berechnen, Positionen bestimmen…
Beim Nachdenken kommen mir manchmal auch Situationen in den Kopf, die ich erlebt habe und schon fast wieder vergessen hätte. Kurze Erinnerungen, die es wert sind, dass man nochmal über sie nachdenkt. Wenn man also in die Runde schaut, sieht man hin und wieder ein kleines Lächeln über die Gesichter huschen. Was wohl gerade in ihnen vorgeht?
Genauso gut kann man über die Zeit, die noch vor einem liegt, nachdenken und sich eventuell Ziele, die man sich gesetzt hatte, in Erinnerung rufen. Mir wird oft auch erst wieder in der stillen Minute bewusst, wo ich mich gerade befinde und was ein Glück das ist. Dass ich die Chance habe, bei diesem außergewöhnlichen Projekt mitmachen zu dürfen. Denn manchmal, da bin ich ehrlich, vergesse ich das. Ich bin so fokussiert auf mich und auf alles andere um mich herum, dass ich das große Ganze nicht betrachte und schlicht einfach nicht dran denke. Ich bin durchgehend beschäftigt – Reinschiff, Brettspiele spielen oder sich um die Wäsche kümmern. Durch die stille Minute wird mein Blick wieder auf das Wichtige und Wesentliche gelenkt (obwohl sich meine Kammermitbewohnerinnen natürlich auch über frische Wäsche freuen). Ich kann mir ins Gedächtnis rufen, wie dankbar ich bin, hier zu sein. Und manchmal erinnert man sich auch an Aufgaben, die man fast vergessen hätte, wie zum Beispiel, dass man noch den Blog zu Ende schreiben muss 😉
Aber was ist denn schon eine Minute? Eine Minute klingt nicht nach viel Zeit. Verliert man sich einmal in seiner Gedankenwelt, können sechzig Sekunden durchaus schnell vorbeigehen. Sie können einem aber auch wie eine Ewigkeit vorkommen. Erstaunlicherweise schaffe ich es manchmal nur mit Mühe, ruhig sitzen zu bleiben, mich für diese kurze Zeit zu konzentrieren und meine Gedanken, die manchmal nur so in meinem Kopf herumschwirren zu ordnen. Die stille Minute, die doch so verschieden lang empfunden werden kann, ist sehr kostbar. Sie hilft mir, Dinge zu verarbeiten oder den Gedanken freien Lauf zu lassen. Oder einfach Mal an nichts zu denken und an nichts denken zu müssen…
Gong.
Die Glocke läutet ein zweites Mal. Während sich das Geräusch gleichmäßig mit der Luft vermischt und langsam verklingt, komme ich wieder im Hier und Jetzt an. Ich kann nicht traurig über das Ende der stillen Minute sein, denn ich freue mich viel zu sehr auf die bevorstehende, leckere Mahlzeit, um den knurrenden Magen, den ich ausgeblendet habe, endlich zu füllen. Heute mit Pizza und Nudelsalat.
KUS-Ticker
28.10.2020
- Sicherheitseinweisung – Verhalten bei Feuer, Anprobieren der Überlebensanzüge, Testgeneralalarm mit Durchspielen einer Notsituation für den Ernstfall
- Warm-Up – Gruppendynamikübung
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29.10.2020
- Erster Unterricht in Chemie, Physik und Mathe
- Ausflug zu Kegelrobbenkolonie für die erste von vier Kleingruppen
- Café an Bord eröffnet – Motto „Sommer, Sonne und gutes Essen“
→ Bis abends gute Stimmung mit Partyspielen und tanzen zu Musik