Gedankenkreisen

Fogo. Steil erhebt sich die Küste der kapverdischen Insel aus dem tosenden Meer. Wellen donnern gegen den Rumpf eines gestrandeten Wracks. Ich frage mich, woher es kommt. Was es wohl alles erlebt hat.

Die dritte der vier Inseln, die wir bereisen, birgt wie São Vicente und Santo Antão eine ebenso einzigartige und faszinierende Natur. Immer kahler werdende Steppenlandschaft zieht sich den Berg hinauf, während die Umgebung in der Caldera eher einer sehr beeindruckenden Mondlandschaft gleicht. Riesige Lavafelder zieren den Weg zum Fuß des noch aktiven Vulkans. Ein Hang aus Jahrhunderte alter Asche weist den Weg zum Gipfel. Die Luft ist trocken und warm. Auf der Nordseite der Caldera schenkt der Nebelwald vielen Tieren und Pflanzen Raum zum Leben.

Leben. Etwas, was mich hier vor allem an den Bewohnern auf der Insel sehr beeindruckt. Murabeza –  ihre bedingungslose Gastfreundschaft. No stress – ihre aufgeschlossene und freundliche Art. Was Essen für den Körper ist, ist Musik für die Seele – die Liebe zur Musik. Und auch das Leben in der Gemeinschaft. Etwas, was ich mir so für zuhause wünschen würde.

Wie loderndes Feuer blitzen Bilder vor meinem inneren Auge auf.

Meine Gedanken kreisen. Die untergehende Sonne streift meine Erinnerung. Ein wenig später ist es der Anblick der funkelnden Sterne in der Caldera. Die einhüllende Stille, die dort herrscht. Ich bin nachdenklich in dieser Zeit. Und ich merke, dass ich damit nicht allein bin.

Halbzeit.

Meine Gedanken kreisen. Vor drei Monaten sind wir aufgebrochen und haben uns auf eine Reise ins Ungewisse begeben. Es ist absurd, wie schnell die Zeit vergangen ist. Wie viel wir erlebt haben.

Es ist der erste richtige Landaufenthalt, den wir alle gemeinsam erleben. Ich sitze an der Stirn des Tisches und lasse meinen Blick über die lange Tafel schweifen. Über die Menschen, die mir in den vergangenen Monaten sehr ans Herz gewachsen sind. Menschen, die so unterschiedlich sind und doch so verbunden. Wir lernen voneinander, übereinander und miteinander. Man ist nie allein. Und obwohl ich am Anfang der Reise Angst davor hatte, bin ich jetzt unglaublich dankbar dafür.

Halbzeit.

Meine Gedanken kreisen. Diese eine Frage, sie schleicht sich ein. Was ist nach dieser Zeit? Was ist, wenn alles vorbei ist? Ich habe lange gebraucht, um anzukommen und – so merkwürdig es klingen mag – tatsächlich zu realisieren, wo ich bin und was ich hier eigentlich mache. Jetzt, denke ich, bin ich dabei, es zu verstehen. Wenn wir also wieder an den Ort zurückkehren, von dem wir uns vor einem halben Jahr verabschiedet haben, wie wird es sein, mich wieder daran zu gewöhnen? Ich traue mich diesen Gedanken nur schwer auszusprechen, aber ich habe Angst, dass all die Erinnerungen, die ich während meiner Zeit hier gesammelt habe, wie Sand durch meine Finger rinnen werden. Angst nicht klarzukommen.

Halbzeit.

Meine Gedanken kreisen. Sie wandern zu den Einheimischen der Caldera. Sie leben immer in dem Gewissen, dass der Vulkan ausbrechen und ihnen alles nehmen könnte. Schon oft haben sie erlebt, wie die Lava ihre Häuser, ihre Stadt, ihr Land zerstörte. Sie haben sich jedoch nie der Verzweiflung hingegeben und aufgegeben. Immer wieder sind sie aufgestanden und haben begonnen, sich ihr Leben erneut aufzubauen und etwas Positives aus dem Verlust zu ziehen. Ihn als Chance, als Neustart anzusehen. Das zeigt mir, dass das Ende immer ein Anfang ist. Wir sammeln Erinnerungen, lernen aus ihnen. Das Leben geht weiter.

Halbzeit.

Es liegt noch immer die Hälfte vor uns. Und auch wenn ich mich nicht an jeden einzelnen Moment erinnern werde, werden die prägendsten und schönsten Momente immer ein Teil von mir sein. Doch jetzt zieht es mich raus. Auf das endlose Wasser. Das Meer. Unser Zuhause. Das Abenteuer ruft.

KUS-Ticker

Freitag, 24.01.2021

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