Nachtwache

Der Wind bläst über das Achterdeck und die Masten knarzen. Zwölf dunkle Gestalten stehen an der Vorderkante des Decks und warten. Drei weitere am Ruder und Ausguck. Nun kommt noch eine Person über das Hauptdeck, dreht nach Steuerbord ab und stößt zu den anderen. „Seid ihr vollständig?“, fragt eine nur durch den Klang der Stimme definierbare Person aus der Dunkelheit. „Vollständig“, kommt von Backbord. Es werden Informationen ausgetauscht und Verantwortung übertragen. Nach kurzer Zeit trennt sich die Menge und ungefähr die Hälfte bewegt sich in Richtung Hauptdeck. Nach kurzer Kommunikation werden die Posten abgelöst und die letzten Mitglieder der Wache 1 stoßen zu ihrer Wache. Es ist kurz nach 2 Uhr nachts, die Schiffsübergabe ist in vollem Gange. Mit etwa 4 Knoten kämpft sich die Thor durch die glücklicherweise niedrige Dünung des Nordatlantiks. Das Thermometer zeigt 11,4° C an. Zusammen mit den kühlen Winden aus Norden sorgt die Temperatur für Kälte die durch die vielen Schichten aus Pullovern und Ölzeug nahezu durchgeht. Der Mond sticht durch die durchgehende Wolkendecke und beleuchtet mehrere hundert Meter hinter uns das Meer, welches zu funkeln beginnt.

Zwei in ihre rot-schwarze Tracht eingehüllte KUSis sondern sich ab und scheinen etwas zu besprechen. Es wird mit dem hellen Schein einer Taschenlampe das Großsegel abgeleuchtet und immer wieder fällt der Blick auf die Flagge an der Spitze des Großmastes, der im Wind weht und seine Richtung anzeigt. Die beiden Schülerinnen wechseln noch ein paar Worte und schon sammelt einer von ihnen vier andere Wachmitglieder ein und geht strammen Schrittes in Richtung Vorschiff. Die Stille verharrt in der Nacht.

Plötzlich fängt es am Schonermast (vorderster Mast) an zu quietschen und das Bramsegel (oberstes Rahsegel) nimmt seinen Weg nach unten. Die Rah beginnt, sich langsam aber sicher gen Deck zu bewegen und kurze Zeit später wird das herumflatternde Segeltuch an die Rah (ein querliegendes Holz am vordersten Mast, an dem ein Segel (Rahsegel) befestigt ist) hochgezogen. Eine einzelne Person kommt zurück und geht gezielt auf eine weitere zu.
„Bram aufgegeit“, kommt vom wachhabenden Wachführer und die Steuerfrau bedankt sich.

„Vielleich setzen wir sie später wieder“, sagt sie. „Du siehst ja die Front, die könnte uns unangenehme Böen bringen.“ „Ja, lieber einmal zu viel bergen als einmal zu wenig“, gibt ihr die konzentrierte Stimme des Wachführers zurück. „Eine Reelingslogge um Punkt drei Uhr wäre gut.“ „Ok, ich such mir jemanden und mach eine.“

Zwei kurze Lichtstöße kommen aus einer Stirnlampe vom vorderen Teil des Schiffes und das Signal wird erwidert. Nach kurzer Lichtstille kommt plötzlich wieder ein weißes Licht von vorne und schnell wird die Stoppuhr gestartet. Ein kleines Stück Biomüll treibt vorbei und die Zeit wird genommen, die es von vorne bis ans Heck des Schiffes benötigt. Der Vorgang wiederholt sich noch einmal, und die Werte werden weitergegeben.

„18.09 und 17.95 Sekunden.“ „Danke, ich gehe dann jetzt in den Navigationsraum und rechne die Geschwindigkeit aus.“ Auch an anderen Stellen des Achterdecks kommt Bewegung in die Stille und die Posten werden übergeben. „Mika?“, fragt eine Stimme aus der Nacht. „Ja?“ „Ich habe das Ruder an Marie übergeben, bei Kurs 010.“ „Ja ok, danke. Kannst du um halb Sicherheitsronde gehen?“ „Ja klar.“ „Danke.“

Schritte sind zu vernehmen und Melanie (Schülersteuerfrau) kommt wieder aus dem Navigationsraum nach oben. „Mika, wir können die Brahm (oberstes Rahsegel) auch wieder setzen. Ach so, und wir laufen gerade 4,2 Knoten.“ „Dann such ich kurz die Leute zusammen und geh nach vorne“, antwortet der Wachführer. Wieder geht die dunkle Gestalt über das Achterdeck und sammelt Menschen zusammen.

Kurz wird sich besprochen und die Situation erklärt, schon geht die nächste Gruppe in Richtung Vorschiff. Erneut lässt sich nach kurzer Stille das Quietschen der sich nach oben bewegenden Rah vernehmen und das Segel nimmt erneut seinen Weg gen Himmelszelt.

Erst ein, dann zwei und nach geraumer Zeit hunderte Sterne sind am Himmel zu erkennen, als die Wolken beginnen, sich zu verziehen. Bestätigt werden im Halbenstundentakt die Aufgaben neu verteilt und die Wache nähert sich dem Ende. Es ist 4.25 Uhr. In den Köpfen der Wachmitgliedern schwirrt vielleicht schon das warme Bett und zwei von ihnen machen sich auf, um dafür zu sorgen, dass in 30 Minuten der erste Schritt zu ihm passieren kann.

Die letzten Wetterdaten werden abgelesen und der letzte Weg in den Navigationsraum hinter sich gebracht, um um Punkt 5 Uhr nachts die Position in die Karte einzutragen. Das Wasser blinkt ab und zu von dem gereizten Leuchtplankton auf und erneut füllt sich das Achterdeck, um die Wache zu übergeben.

Schlaftrunken sammelt sich die Wache 2 auf dem Hauptdeck. Die alltägliche Nachbesprechungsrunde der Wache wird eher rudimentär gehalten und die acht Gestalten verteilen sich auf dem Schiff.

Der Wachbetrieb nimmt seinen Lauf…

KUS-Ticker

Mittwoch, 31.03.2021

Mittagsposition: 41° 16,8‘ N / 026° 22,5‘ W
Etmal: 90,7 sm
Temperatur: Luft: 15°C Wasser: 15°C

  • 16:00 Schiffsversammlung (Wettervorstellung)
  • 17:50 Vortrag über Generatoren von Leon

Donnerstag, 01.04.2021

Mittagsposition: 43° 09,5‘ N / 026° 17,0‘ W
Etmal: 114,3 sm
Temperatur: Luft: 16°C Wasser: 14,5°C

  • 10:00: Großreinschiff
  • 15:00: Schiffsübergabe Ende, die Schüler übergeben das Schiff zurück
  • 17:00: Schiffsversammlung (Besprechung der Folgetage, Wetter, Ostern)