Zeit
Zeit. Eigentlich nur eine Einheit, die festlegt wie lang etwas dauert. Doch wie lange dauern Dinge wirklich? Unsere Reise dauert sechs Monate doch sie vergeht wie im Flug, unsere erste Atlantiküberquerung dauert ungefähr drei Wochen und sie fühlt sich ewig an, eine Wache dauert drei Stunden und sie ist das perfekte Beispiel wie unterschiedlich Zeit vergehen kann. Eine Wache kann mit vielen Aufgaben doppelt so schnell vergehen wie eine Wache in der Nordsee um zwei Uhr morgens. Ich will mich nicht beschweren, Nachtwachen sind wunderschön und ich liebe sie eigentlich, aber ich könnte mir manchmal um 0200-0500 Uhr nachts eben doch schönere Dinge vorstellen als im Regen zu stehen. Beispielsweise schlafen. Und damit wären wir wieder bei Zeit. Unsere Tage auf der Thor haben leider auch nur vierundzwanzig Stunden, wobei man sagen kann, dass diese voll und ganz genutzt werden. Seit Beginn der Reise bin ich fasziniert, was man alles an einem Tag machen und erleben kann. Schauen wir uns mal einen Tag auf der Thor genauer an.
Es ist 0830 Uhr als ich aufwache und hinter mir liegen, aufgrund meiner Nachtwache, weniger als sechs Stunden Schlaf. Doch ich bin mittlerweile dran gewöhnt und so stehe ich auf. Keine halbe Stunde später sitze ich fertiggemacht beim Frühstück und unterhalte mich mit ein paar Leuten über die letzten Monate. Mir verbleiben zwei Stunden bis zu meiner Wache und die sind vollgepackt mit Aufgaben und Dingen, die erledigt werden wollen. Aber fangen wir von vorne an:
0920 Uhr und ich hole Eimer, Lappen und Neutralreiniger aus der Putzecke, um Reinschiff mit meiner Wache zu beginnen. Wir sind über die letzte Zeit schneller geworden und brauchen mittlerweile nur noch ungefähr 40 Minuten am Tag. Danach bleibt mir kurz Zeit, um meinen Tagebucheintrag von gestern fertig zu schreiben, doch nur kurze Zeit später werde ich in der Backschaft eingespannt, wo ich bis kurz vor meiner Wache um 1050 Uhr aushelfe.
Dann beginnt die Zeit des Tages in der man die wenigste Zeit hat. Wache. Als erstes muss ich ans Ruder und steuere die Thor über die Wellen in Richtung des Horizonts. Die Zeit fliegt und als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue ist schon über eine halbe Stunde vergangen und ich werde abgelöst, um die Sicherheitsronde zu gehen. So vergeht die Wache schneller als ich gucken kann und wir werden um Punkt 1400 Uhr von der nächsten Wache abgelöst.
Ich gehe also in Folge dessen unter Deck, um meine Sachen abzulegen und direkt danach meinen Blog anzufangen. Mir bleibt kaum Zeit bis ich beauftragt werde, in der Last rote Kisten auszuwischen und wegzuräumen. Zu meinem Glück werde ich um 1500 Uhr von Kaffee & Kuchen unterbrochen und danach übernimmt jemand anderes für mich.
Und so kommt es, dass ich das erste Mal an diesem Tag eine halbe Stunde Zeit für mich habe. Ich schnappe mir ein Buch, klettere aufs Deckshaus und höre den Geräuschen der See zu. Doch Ruhe ist einem auf der Thor meist nicht lange gegönnt und 35 Minuten später werde ich von einem kurzen Klingeln unterbrochen.
Schiffsversammlung auf dem Achterdeck. Die nächste Zeit verbringe ich also damit Ankündigungen, kulturellen Beiträgen und einem Referat zu lauschen. Die Backschaft hat zum Glück schon alles vorbereitet, sodass es im Anschluss um 1800 Uhr direkt Abendessen gibt. Doch viel Zeit bleibt mir nicht, da ich noch meiner Beauftragung nachgehen und Englischblogs korrigieren muss.
Um 1900 Uhr ist auch diese Aufgabe erledigt und ich kann mich dem widmen, für was ich seit Tagen Zeit suche. Musik von den anderen auf meinen MP3-Player spielen für den Fall, dass ich mal Zeit habe in meiner Koje Musik zu hören. Und so endet mein Tag in der Messe mit Musik raussuchen, nähen und danach noch Tagebuch schreiben. Einer der ersten Abende an dem einfach mal Zeit war, längst überfällige Dinge zu erledigen.
Die Thor Heyerdahl spannt uns fest in ihren Alltag ein und fordert uns tagtäglich und obwohl man jetzt vielleicht denken könnte, dass all die Aufgaben uns überfordern oder stressen, dann hat man nicht ganz Unrecht und trotzdem lieben wir es immer wieder aufs Neue, Dinge zu lernen und unsere Zeit für das Schiff zu “opfern“. Zeit ist kostbar und oft findet man vermeintlich keine Zeit; dabei verwendet man sie nur für Dinge, die höhere Priorität haben. Denn deswegen sind wir hier, weil wir das Projekt lieben und es uns jegliche Anstrengung Wert ist.
KUS-Ticker
Sonntag, 16.01.2022
- 09:30 Uhr: Seemannssonntagfrühstück mit Brötchen + Eiern
- 11:00-14:00 Uhr: Fahrwache
- 15:00 Uhr: Kaffee & Kuchen mit Waffeln
- 15:00-17:00 Uhr: Selbsteinschätzungsbögen Halbzeit
- 18:00 Uhr: Abendessen
- 19:00-22:00 Uhr: Lernen für Physikarbeit