Die Farben des Ozeans

Ich setze mich auf das Deckshaus und lehne mich an den knarzenden Großmast. Manchmal ist das hier ein ruhiger Ort. Eine kleine Blase in dem geschäftigen Treiben unserer kleinen Gesellschaft. Dann kann man sich einen Moment nehmen und einfach alles um einen herum in sich aufnehmen. Das sich aufbauende Rauschen der brechenden Schaumkronen, das Zischen der weißen Schaumfelder, der Wind, der einen sanft streicht und in den Ohren flüstert. Das Schlagen der Segel und das etwas versetzte Aufkommen der Reffbänzel. Das Brausen und Donnern, wenn die Bugwelle zu groß geworden ist und nach vorne rollt. Das Schmatzen und Gluckern der Wellen an der Bugwand; der Wellen, die auch mal hochschwappen und plötzlich, in der Luft kurz stehend, in tausenden von Tropfen auf unser Deck niederprasseln. In dieser Ruhe lässt es sich gut seinen Gedanken nachhängen. Ein Geschehnis, ein Augenblick und sie laufen wie von selbst los. Schon bald schaue ich auf die weite Ebene. Die Ebene, die mir mein Zuhause, die Erde, veranschaulicht. Rundherum nur der Horizont – das ist unsere Welt. Das ist die Erde und ich erblicke gerade so einen großen Teil von ihr. Dieser Teil, er erscheint so eintönig. Viele meinen, er sei schnell zu erfassen. Dabei gibt es so viel zu sehen. Angefangen bei der Farbe. Atlantikblau. So unbeschreiblich. Klar und das satteste, kräftigste und auch leuchtendste Blau, das man sich vorstellen kann. Es hypnotisiert, lässt innehalten und zieht an. Wie viele waren kurz vor dem Reinspringen?

Keine Kamera kann erfassen, kein Pinsel malen, kein Wort beschreiben, welche Farbe die Sonne jeden Tag in einer neuen Variation aus dem Wasser macht. Atlantikblau. Keine Katalogfarbe, keine Nummer. Eine kraftvolle Farbe der Natur. Eine Farbe der Lebensfreude, auf der Sonnenstrahlen tanzen und glitzern. Obwohl ich sagen muss, dass man die Farbe am besten bei mäßiger Sonne sehen kann. Wenn die Sonne nicht blendet und man den Blick nicht vom Meer abwenden muss. Am besten stützt man sich auf die Reling und schaut direkt nach unten. Da kann man die Farbe am besten sehen. Nichts kann festhalten, welche Farbpalette entsteht, wenn die Sonne auf den Wellen spielt. Wenn der Wind Strukturen bläst und die Farben verweht, in Schatten wirft, verändert. In jedem Wellental ist eine Vielzahl an Farben zu sehen. Trilliarden Farben. Farben, die in ihrer Gesamtheit den Atlantik füllen, irgendwie von diesem einen Blau dominiert werden, irgendwie aber auch dieses Blau bilden. Bei Sonnenauf- und untergängen enthalten viele bunte Ringe abwechselnde Komplementärfarben, das Meer kann plötzlich lila erscheinen und nochmal sehr viel mehr Farben haben; sie legen sich umeinander und wabern auf der Wasseroberfläche.

Es reicht kein kurzer Blick für diese blaue Masse. Nicht, um den vollen Charakter zu erfassen. Wie oft hat er mir im Ausguck Gesellschaft geleistet. Hat mich beruhigt. Er ist präsent und doch zurückhaltend. Wie viel verbirgt sich wohl unter seiner Oberfläche? So wild und frei ist dieser Ozean, so friedlich. Er ist keinen Tag, nie gleich; ist mal spiegelglatt, hat Dünen oder kleine Spitzen, die aufragen. Er verändert sich ständig.

Oh Atlantik. Wie ich es hasse, dass ich dich irgendwann verlasse. Wie schade und schaurig, wie schrecklich, so traurig, dass ich mich nie ganz an dich erinnern werden kann. Nicht fühlen kann, wie es ist vor dir zu stehen und auf dich zu blicken. Wenn ich meine Augen schließe, versuche, ganz mit meinem inneren Auge das alles zu sehen, wenn ich in die Vergangenheit eintauche, mich zu konzentrieren brauche. Wenn ich mich in Erinnerungen festbeiße, nicht losreiße, kommt das verhasste Weiße. Verblassend und verschwimmend entrinnt es mir.

KUS-Ticker

Mittwoch, 07.12.2022

Mittagsposition: 11°57,1’N; 046°15,4’W
Etmal: 114 sm
Wetter: bewölkt; Temperatur: Luft 30,5°C, Wasser 29° C; Wind: SE 2

  • 08:15 Uhr Unterrichtsstart Gruppe A
  • 15:00 Uhr Weihnachtspunsch von Lia und Tessa
  • 20:00 Uhr Böen-Einfall und Bergen der Spitzen

Donnerstag, 08.12.2022

Mittagsposition: 11°43,1’N; 048°13,8’W
Etmal: 119 sm
Wetter: etwas bewölkt; Temperatur: Luft 24,5°C, Wasser 27,5° C; Wind: NWzN 1

  • 08:15 Uhr Unterrichtsstart Gruppe B
  • 14:00 Uhr Durchquerung Algenteppich mit einigem Plastikmüll
  • 18:00 Uhr Lebender Adventskalender mit Johannes K., Gustav und dem „Cup Song“