Wo Abschnitte enden und neue beginnen
Wie als ich klein war, liege ich auf dem sonnenerwärmten Decksboden und schaue in den Himmel, versuche, in Wolken Bilder zu erkennen. Der Mast, der in den Himmel ragt, neigt sich in der Wellenbewegung hin und her. Unendliche Wellen. Sattes Meeresblau, himmelblaue Schleier, die sich durchs Wasser ziehen und weiße Gischt, die in alle Richtungen spritzt. Manchmal gleitet die Thor nur so übers Wasser, sie scheint zu fliegen und mit ihren 7 Knoten schlängelt sie sich nicht so durch die unendlichen Wellenberge wie bei Flaute. 3 Knoten und ich würde es eher dümpeln nennen. Manchmal habe ich das Gefühl wir bewegen uns auf der Stelle, aber die Seekarte mit der Mittagsposition von jedem Tag, die mit jedem neuen Tag weiter in den Westen, in Richtung Karibik rutscht, verfliegt der Gedanke.
Es ist Tag 18 der Atlantiküberquerung. Ich sitze vor dem Computer und tippe diese Worte. 18 Tage… Es kommt mir ewig vor, seitdem ich das letzte Mal festen Boden unter den Füßen hatte, seitdem ich das letzte Mal Kontakt zur Außenwelt hatte, seitdem ich Land sah. Und doch verflogen diese Tage, wie Seeadler, die ab und zu mal über dem Atlantik ihre Runden zogen. Weit entfernt von allem. Und heute würde sich all das ändern… Die Stimmung in den letzten Tagen war ganz anders als sonst. Die Vorfreude auf das, was uns in der Karibik erwarten würde, lag in der Luft. Wir alle wussten, dass wir heute ankommen würden, wenn alles nach Plan lief und zählten nur so die Seemeilen bis zu unserem Ankerplatz. Jeder versuchte im Ausguck als erster karibischen Boden erblicken zu können und dann, um 13:07 BZ hörte man übers Deck die Worte, auf die jeder gewartet hatte: ,,Land in Sicht!!‘‘
Mittlerweile war eine Routine in unseren Tag gekommen. Irgendwie saß ich jeden zweiten Abend in der Wache, die Sonne ging unter und erst da realisierte ich, dass schon wieder ein weiterer Tag vergangen war. Doch heute wurde unser Alltag durcheinander gewürfelt, denn jetzt war die Übergabe des Schiffes gekommen. Ich hatte mich als Proviantmeisterin beworben und zusammen mit Johannes hatten wir nun die Verantwortung über den Proviant bekommen. Der Moment, als Detlef Marlene sein Schiff in ihre Hände übergab, war der Augenblick auf den alle gewartet hatten! Nun war das Schiff also in unserer Verantwortung und es fühlte sich so aufregend an, nun gemeinsam für unser Zuhause zuständig zu sein. Jeder hat seinen Aufgabenbereich und doch arbeiten wir alle Hand in Hand, denn dann klappte es am besten. Ich und Johannes waren nun also zuständig für den Proviant. Gute Stimmung kommt ja bekanntlich auch von gutem Essen und obwohl unser Posten eigentlich nichts mit Kochen zu tun hat, tragen wir zur Schiffsatmosphäre einen entscheidenden Teil bei. Und es gab wirklich leckeres Essen in den zwei Tagen, was natürlich auch an unserer Gourmet Backschaft, bestehend aus 3 Köchen, lag.
Die letzten 2 Stunden bevor wir unseren Ankerplatz erreichen, stehe ich das letzte Mal für diese Etappe am Ruder und steuere unser Zuhause in eine Welt voller Unbekanntem, voller Überraschungen und Abenteuer. In eine Welt, die uns Neu ist und die definitiv das Routenziel der Reise ist, den Ort auf den wir uns alle am meisten freuen. Spät in der Nacht fällt unser Anker in der Bucht Prince Ruperts Bay Dominica und mit einer kurzen Ansprache unserer Kapitänin stoßen wir mit einem tropischen Drink auf die erfolgreiche Überquerung an.
Tag 19. Unser erster Tag in der Karibik. Früh morgens, noch als die Sonne ihre ersten Strahlen durch das weite Grün blitzen lässt, sehe ich das erste Mal Dominica bei Tag. Vor mir erstreckt sich eine Bucht in den schönsten Blautönen, der Strand wird von Palmen gesäumt, hinter denen sich endloses Grün weitet. Bunte kleine Häuser in fröhlichen Farben, breite Sandstrände. Unberührte Natur und verborgene Schätze warten nur auf uns. Es hat etwas Magisches, als wir uns am Nachmittag bereit machen für den ersten gemeinsamen Sprung in karibisches Gewässer. Das Wasser ist warm und salzig und es fühlt sich so unglaublich und unreal an gerade hier zu sein… 2241,3 Seemeilen, das sind mehr als 4000 km, sind wir nun gesegelt. Über 10.000 km liegt unser Zuhause nun entfernt, 5 Stunden in der Zukunft.
Diesen Erfolg lassen wir mit einem Karibischen Abend ausklingen. Detlef schwingt in der Kombüse den Kochlöffel und zaubert Thunfisch mit Reis und Salat. Darauf folgt ein Tanzabend mit Musik und tropischen Getränken und irgendwie verflog an diesem Tag alles über das man sich manchmal den Kopf zerbrach – denn wir waren nun hier. Hier angekommen in der Karibik. ,,Paradise on earth‘‘ wie die Einwohner selbst es nennen und niemand kann dem nicht sofort zustimmen.
KUS-Ticker
Freitag, der 21.01.2022
Etmal: 158,9 sm
Lufttemperatur: 27°C, Wassertemperatur: 27°C
- 13:07 Uhr: ‚,Land in Sicht‘‘
- 13:30-15:00 Uhr: Workshops
- Delfine gesichtet zu Kaffee & Kuchen
- 21:00 Uhr: Signal K zur Halse
- 23:12 Uhr: Anker fällt
Samstag, der 22.01.2022
Etmal: 59,8 sm
Lufttemperatur: 26,5°C
Wassertemperatur: 27°C
- 10:00 Uhr: Segel hafenfein packen
- 13:00 Uhr: Erster Sprung ins Meer
- 17:00 Uhr: Rein-Schiff
- 19:00 Uhr: Karibischer Abend