Das Maschinisten-Dasein

06:20 Uhr. Die Stimme in meinem Ohr raunt leise meinen Namen. Ich schlage die Augen auf.
06:20 Uhr. Habe ich das geträumt, oder steht da gerade tatsächlich eine Gestalt, ein Schatten in Lappen gehüllt, in der Dunkelheit, die mich verzweifelt aus dem Schlaf reißen möchte?
06:20 Uhr. Keine normale Wachzeit. Was geschieht also um diese Zeit, an diesem Ort, jetzt, heute und hier?

Ich selbst, noch etwas schlaftrunken, benötige einen kurzen Augenblick um mich der Situation bewusst zu werden, da kommt mir die Erleuchtung.
Die Backschaft, sowie auch der Rest des Schiffes, ist dem Strom nicht unbedingt abgeneigt, das bedeutet, irgendjemand hat die Aufgabe, für Strom zu sorgen. Wer übernimmt diesen Auftrag während der Schiffsübergabe und der Übertragung des Amtes des Maschinisten? Richtig. Die Schülermaschinisten.

Mit Mühe und schweren Herzens klettere ich aus meinem Schlafgemach und gewandt stolpere in meinem schlapprigen Schlafgewand in die Last, um meinen Pflichten gerecht zu werden und den Generator, das Heiligtum unseres Schiffes, mit Carla in Gang zu setzen.
„Es werde nun Licht.“ Dieser Satz schießt mir durch den Kopf und sofort befinde ich mich fern jeglicher Zweifel und die Faszination am Maschinisten-Dasein erlangt die Oberhand. Die Müdigkeit hat sich längst verzogen und ich male mir die Freudenschreie aus, die aus der Kombüse ertönen, sobald es ihnen möglich ist, Kaffee zu kochen und ein Festmahl zuzubereiten.
Unter anderem lässt es sich schwer ohne Frischwasser auf einem Boot leben, weshalb das Anstellen der Osmoseanlage auch zu unseren Aufgaben zählt. Das zu erledigen dauert ungefähr 10 Minuten und im Anschluss gehört es sich für einen Maschinisten, wieder ins Kämmerlein zurückzukehren und dort noch ein Stündchen zu nächtigen.
Was mir allerdings während der gesamten Schiffsübergabe am meisten Freude bereitete, war das Klarmachen der Maschine. Was kann man sich unter „Klarmachen“ nun vorstellen? Läuft unsere Olga (Hauptmaschine) lange Zeit nicht, ist es notwendig, sie wieder auf Vordermann zu bringen, das bedeutet z.B., dass der Luftdruck nachgeprüft werden muss, den wir benötigen, um die Maschine starten zu können, gegebenenfalls müssen die Luft aufgefüllt und Zylinderköpfe geschmiert werden.

Ich begebe mich also mit Carla in die Maschine, um sie startklar melden zu können. Während wir unsere Runde drehen, fällt uns ein: „Jetzt ist die Zeit gekommen. Jetzt ist es uns einmal erlaubt, die Maschine vor der gesamten Besatzung oder zumindest einem Teil davon klar zu melden.“ Wow. Was soll man dazu noch sagen? Sobald das Rattern ertönt, verspüren wir ein seltsames Gefühl. Ja, es ist definitiv ein Gefühl von Erleichterung, schließlich hört sich Olga noch nicht kaputt an, das heißt, so viel können wir nicht falsch gemacht haben, aber noch ein anderes Gefühl schwingt da mit und breitet sich in uns aus. Stolz? Vielleicht ein wenig. Bewunderung? Definitiv.

Egal, wie oft man nachts geweckt wird und egal, wie spät oder früh es ist, für auch nur einen Tag als Maschinisten lohnt es sich, um neue Erfahrungen sammeln zu können, und nein, Carla und ich verbrachten nicht den ganzen Tag in unserem Blaumann mit Ruß verschmierten Gesichtern unter Deck und entstopften die Toiletten oder säuberten die Maschine. Das Maschinistenleben weist viele bunte verschieden Facetten auf, von denen man im Vorhinein keine Ahnung hat und haben kann.

KUS-Ticker

Freitag, 02.04.21

Mittagsposition: 45°06,2’N 025°40,5’w
Etmal: 126,4sm
Lufttemperatur: 12,5°C Wassertemperatur: 12°C

  • 14:00: Schiffsversammlung: Gemeinsamer Start der Auswertung der Schiffsübergabe
  • 14:15: Selbstreflexion
  • 14:45: Besprechung Wachen der Schiffsübergabe und Stamm
  • 15:15: Plenum auf Achterdeck
  • 16:30: Reflexion der Funktionsträger

Samstag, 03.04.21

Mittagsposition: 46°37,6’N 024°13,1‘
Etmal: 115,7sm
Lufttemperatur: 13,6°C Wassertemperatur: 12,5°C

  • 14:00: Großreinschiff
  • 15:30: Schiffsrat kontrolliert Zustand des Schiffes
  • 16:00: Besanschotan und Lost & Found Versteigerung
  • 20:00: Kino (Film: Sieben Jahre in Tibet)